Eine Marke, viele Farben. Geht das?

Foto: Branding-Farbpalette-bunt-viel-farben

Flexibilität bei der Farbgebung muss kein Widerspruch zur konsistenten Markenführung sein.

Traditionell haben Unternehmen eine oder wenige Farben, die für die Marke stehen und konsistent im Brand-Design Anwendung finden. Dies hilft den Menschen, die Marke zu erkennen. 

Immer öfter wird mit dieser „Tradition“ gebrochen. Heutzutage unterliegen viele Unternehmen und ihre Marken komplexen, dezentralen Strukturen und müssen flexibel und rasch auf Änderungen ihrer Umwelt reagieren.

Marke ist komplex, vielfacettiert, evolutiv, mitunter konträr und irrlichternd. Wer man ist, hat zunehmend damit zu tun, in welchem Kontext man sich befindet, wie man darin auftritt, wie man sich darin darstellt und welche Haltung man darin teilt.

Thomas Limbüchler

Diese Flexibilität manifestiert sich oftmals in dynamischen Farbwelten und flexiblen Farb-Schemata. Haben klassische Farbsysteme ausgedient?

Vor- und Nachteile einer kleinen, statischen Farbpalette

Farbe ist ein essentieller Markenbaustein und für den Betrachter ein ausschlaggebender Faktor in der Wahrnehmung. Eine vielzitierte Studie der Universität Loyola, Maryland, beweist, dass Farben die Markenwahrnehmung um bis zu 80 Prozent steigern können. Insofern ist es nur ein logischer Schritt, die Farbpalette klein zu halten – weniger Farben, leichtere Wiedererkennbarkeit.

Bekannteste Beispiele für eine Ein-Farben-Strategie sind Coca Cola mit seinem typischen Rot oder T-Mobile mit dem markanten Magenta. Bei diesen Marken hat sich die Brand-Color so stark etabliert, dass sie auch ohne Logo oder Wortmarke erkannt werden. Marken wie Mastercard oder OMV setzen z.B. auf zwei Farben und erweitern so nebenbei ihren kreativen Spielraum bei der Umsetzung des Brandings um eine weitere Farbe.

Erkennen Sie die Marke?

Pro: Eine kleine Farbpalette bzw. die Reduktion auf ein oder zwei Farben kann die Prägnanz eines Markenauftritts schärfen. Damit das funktioniert, muss das Bekenntnis zu einer einzelnen Farbe in der Brand Identity stark verankert sein. In diesen Fällen steht die Farbe oft über dem Logo oder anderen visuellen Elementen. Man spricht dann auch von Farbmarken, die man sich rechtlich schützen lassen kann.

Contra: Im schlechtesten Fall wirft eine starre, variantenarme Farbumsetzung ein monotones Bild der Marke nach außen. Hier wird die Konsistenz zum Problem, es besteht die Gefahr des Sich-Satt-Sehens. Dem Brand-Designer stehen jedoch viele weitere Branding-Bausteine zur Verfügung, mit denen er – intelligent eingesetzt – eine spannende, fortwährende Markengeschichte erzählen kann.

Dropbox: Rebranding bringt Farbe ins Spiel

Dropbox kübelte 2017 sein vorhandenes Farbsystem im Rahmen eines umfassenden Rebrandings. Anstatt Logo oder Wording zu überarbeiten, präsentierte das Unternehmen eine Vielzahl von Farben und kontrastreichen Farbkombinationen als Teil des neuen Brandings. Das Logo verlor seine Farbdefinition, sicherte jedoch durch seine bekannte Form die Wiedererkennbarkeit.

Dropbox Farbkombinationen (Quelle)

Die somit neu gewonnenen Möglichkeiten in der Gestaltung bringt der Marke eine sehr hohe Flexibilität in der Umsetzung des Brand Designs. In Kombination mit dem bekannten Logo entstand ein Brandingsystem, das so vielfältig wie die Zielgruppe und so unterschiedlich wie die Anwendungsmöglichkeiten des Produkts war.

Ebays bunte Vielfalt

Auch Ebay verfolgt seit Kurzem ein fast identisches Konzept. Neben dem Basislogo aus vier Farben gibt es nun 60 definierte Farben, die der offiziellen Farbpalette hinzugefügt wurden und in denen das Logo gezeigt werden darf.

We released the ebay logo from its four color treatment, designing a system where the logo could become a symbol of ebay’s diversity.

Form& Design Agency

Ähnlich wie beim Rebranding von Dropbox war bei Ebay die Vielzahl an angebotenen Produkten und Services die Triebfeder zu einem Multicolor-System. Ein wichtige Rolle bei Ebay spielt die Präsentation von Produkten. Und gerade hier hat das neue Farbsystem einen klaren Vorteil: mit Leichtigkeit findet sich eine Farbe, die zum Produktfoto passt – oder einen interessanten Kontrast zum nebenstehenden Produktoto bietet.

via GIPHY

Mit Disziplin zur Vielfalt

Auch wenn es auf dem ersten Blick nicht so aussieht: die Umsetzung eines Multicolor-Systems verlangt vielleicht mehr Disziplin als die Verwendung einer einzelnen Farbe. Denn Farbvielfalt heißt nicht Narrenfreiheit. Auf der einen Seite muss die Farbpalette in sich stimmig sein, auf der anderen Seite muss ein klares Regelwerk dafür sorgen, dass die richtigen Farben zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt werden.

Fazit: Design-Trend oder nicht, immer öfter sieht man Brandings, die auf eine große Palette von Farben setzen. Dies bringt viele neue Möglichkeiten in der Umsetzung, birgt aber die Gefahr in sich, dass die Marke nur schwer erkannt wird.
Die meisten dieser Brandings wirken frisch, dynamisch und jung. Es ist ein Loslösen von traditionellen Designkonventionen und entspricht daher dem Zeitgeist. Alles ist möglich. Und morgen ist alles anders. Besonders bekannte Marken können mit so einem System erfolgreich sein, da sich ihre Logos, Slogans oder Produkte bereits einen fixen Platz in unserer Wahrnehmung gesichert haben.

Eine Marke, viele Farben. Geht das? Ja.

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